Farbgebung & Fassung

Zur Zeit der geltenden Zunftordnungen mussten die Tätigkeiten der Bildhauer und Bildschnitzer von denen der Fassmaler getrennt ausgeführt werden. Letztere gehörten der Malerzunft an, die auch höher rangierte als die der „Snitker“. Ludwig Münstermann durfte also seine Werke nicht selbst fassen und musste Gemälde an Künstler in Werkstätten des Maleramtes weiter verdingen.
Er vollendete seine Werke also im holzsichtigen Zustand.
Um dennoch schon in diesem Stadium eine ästhetisch überzeugende Wirkung seiner Bild- und Architektur-Kunst zu erzielen, wählte er schon die Holzarten ihrer unterschiedlichen Farbwirkung wegen bewusst aus. Das strukturelle Gerüst der Aufbauten, aber auch Ornamentales wie Architektonisches wurde im dunklen Ton des Eichenholzes gefertigt, den skulpturalen Teilen in Figur und Relief dagegen war der helle Ton des Lindenholzes vorbehalten. Auch im farblosen, mit diesen Mitteln erarbeiteten Zustand überzeugten die fertig aufgestellten Werke durch ihre in eindrucksvoller Schönheit ausgewogenen und mit Kontrasten spielenden Bildkompositionen.
 

Zur Veredelung der rohen Holzoberflächen allerdings und auch zum Schutz vor zerstörerischem Insektenbefall wurden die einzelnen Werkstücke mit matt glänzenden Leimlasuren überzogen, denen unterschiedliche Pigmente beigemischt wurden, um die beabsichtigte Wirkung zu steigern. Eine dritte eindrucksvolle Farbkomponente ergibt sich, wenn die edel schimmernden, auch transluziden Oberflächen des Alabasters mit steigernder Wirkung eingesetzt werden. In diesem Zustand, so ist häufig überliefert, blieben die Schnitzwerke oft lange Jahre in den Kirchen stehen, bis wieder genügend Geld vorhanden war, um die farbige Fassmalerei, zu der auch Vergoldung gehörte, bezahlen zu können; denn diese war zumeist ebenso so teuer wie das zu fassende Werk selbst.
Unter den inzwischen nach den originalen Befunden restaurierten und rekonstruierten Fassungen der Werke Ludwig Münstermanns lassen sich zwei Gruppen erkennen, die jeweils unterschiedlichen ästhetischen Konzepten folgen. Die eine baut auf die beschriebene Wirkung der lasierten Holzoberflächen, fügt bei den Figuren die Inkarnate hinzu, strukturiert architektonische Elemente mit aufblitzender Vergoldung und setzt Glanzlichter mit roter und grüner Lüstrierung bei der Diamantizierung des Ornaments oder Teilen der Gewänder. Besonders die Ausstattungen der Kirchen in Schwei und Rodenkirchen zeigen diese Absicht zu einer einheitlichen künstlerischen Erscheinung. Sie lässt sich durchaus mit den höfischen Kunstkammerstücken von kostbaren Hausaltärchen aus Ebenholz und Goldemails vergleichen, die von Goldschmieden am Ende des 16. Jahrhunderts für die Bayerischen Herzöge gefertigt wurden.
 

Die andere Gruppe zielt auf die Materialwirkung des behauenen Steins in Gestalt von Marmor oder Alabaster. Hier sind keine Oberflächen holzsichtig, sondern so gefasst, dass ein harmonischer Eindruck in weiß, schwarz und rot entsteht, der durch zusätzliche Marmorierung entsprechend gesteigert werden kann. Aber auch hier werden die Inkarnate und Gewänder farbig angelegt, die Haare erfahren, statt Vergoldung wie bei der ersten Gruppe, natürliche Färbelung; und auch hier werden Gold und Lüster eingesetzt so wie bei jener, vielleicht sogar üppiger. Beispiele für diese andere Auffassung der Farbgebung und -wirkung sind die Kirchenausstattungen von Hohenkirchen
und Berne.
 

Über die Schwierigkeit der Auftraggeber, zwischen den beiden Möglichkeiten entscheiden zu müssen, sind wir im Falle des Altares in Berne genau unterrichtet. Die Kirchgeschworenen besuchten mit dem Pastor wegen der ausstehenden „Staffierung“ die Altäre in Hohenkirchen sowohl wie in Rodenkirchen, um vor den Originalen zu beraten, und entschieden sich dann für den „Typus“ Hohenkirchen.
Die immer wiederholte Frage nach der „richtigen Münstermann-Fassung“ kann damit als beantwortet gelten: beide Varianten sind zu gleicher Zeit möglich und richtig. Die Befunduntersuchung, welche die ursprünglichen Zustände feststellen kann, ist somit vor jeder Restaurierungsmaßnahme das Wichtigste.

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