Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte

Moses mit den Gesetzestafeln, Träger der Kanzel in der St.-Lamberti-Kirche in Oldenburg 1611

Auftraggeberin: Elisabeth, Gräfin von Schwarzburg (1541–1612), Gemahlin des Grafen Johann von Oldenburg (1540–1603).
Stifterin: Dieselbe
Pastoren: D. Gottfried Schlüter (1609–1637), Superintendent;
Mag. Hermann Münstermann (1608–1616)
Material: Sandstein
Maße: H. 115 cm

Zustand: Bestoßungen an Fingern, Zehen, dem Gewandsaum und zwei Voluten des Kapitells.

Über Gestalt und bildnerische Ausstattung der Kanzel mit Korb, Deckel, Treppe und vergitterter Einfriedung sind wir lediglich in geringem Maße durch Reparatur-Rechnungen informiert; einzig der Träger in Gestalt einer Moses-Figur aus Sandstein ist erhalten. Die Quellen geben aber über die übrigen verwendeten Materialien Auskunft: Holz und Alabaster (Winkelmann spricht fälschlich von Marmor, sein Hinweis erlaubt allerdings den Rückschluss, dass Alabaster in besonders reichem Maße Verwendung fand).

Der erhaltene Moses nun sitzt mit seinem massigen Körper in stark bewegter Haltung über quadratischer Plinthe auf einem leicht schräg gestellten Hocker, dessen seitlich in zwei große Voluten eingerollte Füße nach außen mit Löwenmasken besetzt sind; die rechte vom linken weit zurückgesetzten Unterschenkel verdeckt. Im weiten Schritt setzt Moses den rechten Fuß diagonal bis an die vordere linke Ecke der Plinthe vor: nur die Zehen berühren den Boden; der rechte Arm mit waagerecht abgespreiztem Ellenbogen ist erhoben, die Hand greift wie abstützend an die hintere Volute des Kapitells an dieser Seite. Auf diese Weise durchzieht eine kräftige Diagonale den ganzen Körper, seine tragende und stützende Funktion überaus sinnhaft verdeutlichend: vom linken Fuß auf der Plinthe mit dem linken Unterschenkel überspringend auf das rechte Knie, quer über den Oberkörper bis zur greifenden rechten Hand in der Architektur über dem Kopf, der dieser durchgehenden Bewegung mit seiner Bewegung zur rechten Schulter folgt. Bedeutungsgemäß wird diese Spannungs-Schräge gekreuzt von den mit dem linken Arm vorweisend vor den Körper wie in der Gegen-Diagonale gehaltenen und auf den rechten Oberschenkel aufgestützten oben jeweils halbrund ausgeformten Gesetzestafeln mit hebräischen Schriftzeichen im Hochrelief. Moses trägt ein enges gegürtetes Gewand mit langen Ärmeln, ein Manteltuch ist um den Hals bis auf die Brust geschlungen und über der linken Schulter verknotet, es fällt nach hinten herunter, taucht an der rechten Hüfte wieder auf und ist mit seinem Ende über den rechten Oberschenkel bis hinter die Gesetzestafeln geworfen. Das eindrucksvolle Antlitz des alten Mannes ist gezeichnet nicht nur von den körperlichen Anstrengungen seiner tragenden Funktion, die auch am Hals links Adern und Sehen hervortreten lassen, sondern vermittelt mit seiner zerfurchten Stirn, dem schmerzvoll gerichteten Blick nach oben, der kräftig vorspringenden geraden Nase über den vollen Lippen eines mühevoll atmend geöffneten Mundes inmitten eines in vollen Strähnen bis auf die Brust im wehenden Bogen nach links fallenden Bartes, die geistigen Anstrengungen seines Propheten-Amtes im Dienste Gottes. Die vollen langen und gewellten Haare wehen empor und verlieren sich im Körper und zwischen den Voluten eines Kompositkapitells, auf dem die untere Wölbung des Kanzelkorbes ruhte.

Drei Felder Priechenbrüstung und sieben Konsolenköpfe vom Grafenstuhl in der Schlosskirche St.-Petri in Varel 1616

Material: Eichenholz (Rahmung der Felder und Konsolköpfe), Tannenholz (Bildtafeln)
Maße: H. 150 m, B. 228 cm (Brüstung); H. 21,4 – 22,2 cm (Konsolköpfe)

Zustand: Die architektonischen Teile der Brüstung sind offenbar barock überfasst; ebenso die beiden später hinzugekommenen Puttenköpfe, bei beiden sind die Federvoluten des unteren Abschlusses abgebrochen; bei den übrigen Konsolen Reste der originalen Lüsterfassung erhalten.

Die Engelkonsolen, ob im Inneren oder am Äußeren des Grafenstuhles angebracht, dienen desgleichen einer Hervorhebung und Charakterisierung des ausgezeichneten Ortes; die Narrenköpfe geben Hinweis auf den höfischen Zusammenhang: der Narr darf als Einziger am Hofe die Wahrheit – auch die unangenehme und provozierende - aussprechen; er kann der eigentlich Weise sein, wie der angeblich Weise der Narr; und auch hier gibt es Gegensätze zwischen dem guten und dem bösen Willen in seinen Absichten, die der Herrscher unterscheiden muss. Die Kopfkonsolen als Einzelwerke gehören zu den bedeutendsten Zeugnissen für den persönlichen Stil und die künstlerische Ausdrucksstärke des Bildhauers Ludwig Münstermann innerhalb seines gesamten plastischen Werkes.

Leider bleiben trotz der Beschreibung von 1860 und der erhaltenen und identifizierten Fragmente Gestalt und Größe des gräflichen Gestühls unbestimmt. Die Form und Dekoration der Säulen sind durchaus mit sehr ähnlichen Beispielen an den Obergeschossen des Altars vergleichbar. Unbekannt bleibt der nach graphischen Vorlagen arbeitende Maler der Bildtafeln, ob beauftragt vom Bildhauer oder dem Stifter.

Zwei Figuren: König David und Johannes der Täufer um 1620

Material: Lindenholz, Eichenholz (Sockel)
Maße: H. 48 cm, (David), H. 49 cm, (Johannes der Täufer); H. 6 cm (originaler Sockel)

Zustand:
König David: Es fehlen die linke Hand mit einem Teil des Unterarms, die Spitze des rechten großen Zehs und sieben Saiten der ursprünglich neun-saitigen Harfe.
Johannes d.T.: Es fehlen der Zeigefinger der rechten Hand, die Spitzen der großen Zehen an beiden Füßen und der Stiel der Axt im Baumstumpf.
Fassung 1964 von Kurt Bunge, Kassel, untersucht: „Dabei wurde festgestellt, daß die Figur [David] mindestens zweimal übermalt worden ist, an einigen Stellen sogar öfter.“ (Schreiben vom 10. 5. 1964 im Nachlass Keiser). Restaurierung (Festigung ohne Befundanalyse) offenbar für die Anton-Günther-Ausstellung 1983 in der Werkstatt des Landesmuseums Oldenburg.
Standort: Landesmuseum Oldenburg, Inv. 4.946 (David), 4.947 (Johannes).
Provenienz: Um 1900 in der Pastorei in Atens; Privatbesitz Rechtsanwalt Dr. Pralle, Bremen; 1927 als dessen Vermächtnis an das Landesmuseum Oldenburg.

Zuschreibung

Stilistisch lassen sich beide Figuren vorzüglich den Vareler Skulpturen, vor allem denen des Taufbeckens von 1618, mit ihrem kontrapostischen Kompositionsaufbau und der kleinteiligen hochsensiblen Physiognomie zuordnen; letztere zeichnet auch die Apostelköpfe am Taufstein-Deckel in Holle von 1624 aus. Woher die Skulpturen jedoch stammen, bleibt unklar; denn dem Altar und der Kanzel in Atens lassen sie sich schon allein technisch nicht zuordnen; wohl aber zeigt ein altes Foto zu beiden Seiten hinter dem Altar von 1608 zwei Portale aus Roll- und Beschlagwerk-Architektur mit Giebeln; auf denen sie gestanden haben könnten, wenn das denn einen ikonographischen Sinn machte.

So stehen beide Figuren den für Eckwarden quellenmäßig überlieferten Arbeiten Münstermanns von 1623, dem Taufdeckel und der Kanzel, am nächsten.
Eine Provenienz von der 1878 abgebauten Kanzel in Burhave, entstanden im Jahre 1626 (Kat. 13.1), sollte allerdings ebenfalls erwogen werden.

Die beiden gleichgestaltet hinzugefügten, aber nicht originalen Sockel suggerieren, dass beide Figuren als Gegenstücke gearbeitet und ursprünglich als solche aufgestellt waren. Das jedoch ist allein aus ikonographischen Erwägungen nicht vorstellbar; vielleicht waren sie Teile einer längeren Reihe von Figuren, vielleicht an einer Kanzeltreppe; oder sie stammen von zwei verschiedenen Aufstellungsorten im gleichen Kirchenraum und aus der gleichen Zeit.

Taufbecken mit Deckel aus der St.-Dionysius-Kirche in Holle mit Adam-und-Eva-Gruppe 1624

Auftraggeber: Das Kirchspiel
Stifter: Wie im Kirchenbuch verzeichnet und auf den noch vorhandenen Schilden und Tituli
angegeben.
Pastor: Johannes Rosa (1602 – 1652)

Material: Sandstein, Eichenholz (Einfassung des Beckenrandes und konstruktive Teile des Deckels), Lindenholz (Figuren)
Maße: H. 84,5 cm, D. 58 cm (Becken); H. 120 cm, D. 63 cm (Deckel)
Zustand: Nach schweren Beschädigungen vor allem am Beckenfuß und den tragenden Apostelfiguren des Deckel-Baldachins war die Taufe in der Holler Kirche unbrauchbar geworden, und wurde in Erachtung ihrer künstlerischen Bedeutung in die Großherzogliche Alterthümersammlung zur Aufbewahrung abgegeben und erst im Landesmuseum durch Ergänzungen am Fuß des Beckens und durch Ersatz der Baldachin-Figuren durch sichtbar hinzugefügte Baluster-Stützen wieder fähig zu Aufbau und Präsentation gemacht.
Am steinernen Becken sind Reste der womöglich ursprünglichen, gleich nach der Fertigstellung durch Dietrich Meyer aufgebrachten Fassung erhalten; der aufgesetzte hölzerne Beckenrand sowie der Deckel zeigen offenbar eine spätere Übermalung.
Die auf 1626 datierte, und laut Quelle von dem Oldenburger Otto Schwertfeger getriebene eingesetzte Taufschale aus Messing verblieb in der Kirche und befindet sich seit 1982 in einem neuen Taufstein.
Standort: Landesmuseum Oldenburg, Inv. 4.096
Provenienz: Im Jahre 1879 als Geschenk des Kirchspiels in die Großherzogliche Alterthümersammlung übernommen.

Das Becken ist aus einen Sandsteinblock gehauen: Seine sechsseitige Wandung ist mit den Namen und Wappen der Stifter reliefiert. Träger ist der vor einem trockenen Baumstumpf mit schon eingeschlagener Axt hockende Johannes der Täufer mit Kreuzstab und Buch. Merkwürdigerweise ist dem flachen Rand der Kuppa ein erhöhendes und verbreiterndes Gebälk aus Holz aufgesetzt, und erst diesem liegt das vielleicht ebenfalls angesetzte Kranzgebälk des hohen hölzernen Deckels auf.
Hingegen ist die Kuppel, wie eine Skulptur, ganz aus einem Holzblock geschnitzt: Über ihre sechs Eckgrate sind Grotesk-Masken der unterschiedlichsten Physiognomien gestülpt, und in die Tiefe der Zwickel sind verschiedenst gerahmte Öffnungen geschnitten, aus denen die ausdrucksstarken Bildnisse der Apostel blicken. Jeder ist individuell charakterisiert in extremer Gemütsbewegung, und gekennzeichnet durch sein Attribut. Den Baldachin trugen ursprünglich die übrigen sechs Figuren der Apostelreihe, sie sind verloren und werden nun durch neue Balustersäulen ersetzt, welche die Gruppe der Taufe Jesu durch Johannes den Täufer (verloren) umkreisen.

Doch direkt darunter zwischen hochovalen Kugelfüßen liegen eigentlich gar nicht wirklich sichtbar Adam und Eva mit der Schlange am Baum der Erkenntnis, wie überwunden und eingezwängt als eine Allegorie des Sündenfalls, den die Taufe durch den Hl. Geist aufhebt. Diese Skulpturen-Gruppe begründet den Ruhm Ludwig Münstermanns in der Kunstwelt in Text und Bild; sie war bisher einzeln ausgestellt, damit sie von allen Seiten und von Nahem betrachtet und als Ikone seiner einzigartigen Kunst bewundert werden konnte. Nunmehr erfüllt sie wiederum ihren theologischen Sinn; aber eben auch nicht in einer Kirche.

Zuoberst thront Moses. Sein Kopf ist verloren, wie auch die Taube weit über ihm; aber die Gesetzestafeln stehen neben ihm auf dem Boden, und er hält sie nur noch mühsam aufrecht.

Taufbecken mit Deckel (Fragmente) aus der St.-Nikolaikirche in Stollhamm 1628

Auftraggeber: Das Kirchspiel
Stifter: Wie auf den vier Hausmarken-Schilden an der Kuppa des Beckens angegeben.
Pastor: Henrich Jüchter (1621 – 1639).

Material: Sandstein (Becken); Eichenholz (konstruktive Teile des Deckels), Lindenholz (Kalotten-Reliefs des Deckels)
Maße: H. 23 cm, D. 52,5 cm (Kuppa des Beckens); Deckelfragmente siehe unten.

Zustand: Die Oberfläche der erhaltenen Kuppa des steinernen Beckens ist stark berieben und bestoßen, vom Schalenrand sind große Teile abgeschlagen und waren mit Zement zugestrichen. Keine Fassungsreste. Für die Wiederaufstellung der Kuppa im Jahre 2012 auf einem neu angefertigten Schaft mit Fuß aus hellem Stein wurden die groben Zement-Ausstreichungen aus den Fehlstellen im Mündungsrand entfernt und mit Steinmehl glatt verschlossen, wobei offenbar die Höhe des Randes durch Abschleifen gleichmäßig erniedrigt wurde; auf dem ursprünglichen Rand der Kuppa waren vermutlich die Namen der Stifter, wie in Rodenkirchen (Kat. 17.2) eingehauen; auch die Innenseite der Kuppa wurde für die Wiederaufstellung abschleifend bearbeitet. Vom hölzernen Deckel fehlen vor allem die vier Spangen der Kalotte, welche die vier zwischen ihnen eingesetzen Reliefs rahmend hielten; von den beiden Baldachingeschossen die Trage-Elemente in figürlicher oder architektonischer Gestalt; die Taube des Hl. Geistes; ansonsten weggebrochene und abgeleimte Stücke der vorhandenen Teile.
Standort: St.-Vitus-Kirche in Schweiburg (Taufstein),
Landesmuseum Oldenburg (Teile des Deckels), Inv. 4.933a-h
Provenienz: Die Taufe von Ludwig Münstermann wurde 1762 nach Schweiburg verkauft, wo das inzwischen fragmentierte steinerne Becken, 1981 im Garten des Gemeindehauses als Blumenschale wiederentdeckt, zwischenzeitlich im Turmraum abgestellt, seit der Renovierung der St.-Vitus-Kirche im Jahre 2012, mit Hinzufügung eines neuen Fußes und Schaftes eine Wieder-Aufstellung im Chorraum fand.
Die restlichen Teile des ebenfalls fragmentierten hölzernen Deckels wurden 1916 vom Kirchenrat in Schweiburg an das Landesmuseum Oldenburg geschenkt.

Zuschreibung

Becken und Deckel sind vierachsig aufgebaut. Vom Deckel sind bedeutende bildhauerische Fragmente erhalten, die ikonographisch mit dem lutherischen Verständnis der Kindstaufe verbunden sind.
Große Teile des Basis-Gebälks des Deckels über kreisförmigem Grundriß sind erhalten: Das Gebälk wird oben abgeschlossen von einem weit überstehenden flachen gewulsteten Gesims, das obenauf mit dem Ornamentstab eines Laufenden Hundes reliefiert ist. Der glatte Fries darunter wird oben umfaßt von einem großen Eierstab und trägt die gemalte Inschrift: + Marci 10. Lasset die Kindlein [Teilstück fehlt] weret ihnenn nicht denn solcher ist das Reich Gottes + . Nach unten wird die kreisförmige Öffnung des Gebälks verschlossen von einer Platte mit aufstehendem profiliertem Rand, deren untere ebene Fläche geschmückt ist von einem großen Strahlenstern mit geraden und geflammten Zacken in Hochrelief; dieser ehemals vergoldet auf dunkelblauem Grund; in seiner Mitte war vielleicht eine figürliche Taube eingesetzt.
In den vom äußeren Ornamentstab nach oben leicht abgesetzt erhöhten inneren Rand des Kranzgesimses sind die Dübellöcher für die vier verlorenen Kalottenspangen, die viertelkreisförmig aufstiegen, eingelassen. In die Zwischenräume von oberem Gesims des Basisgebälks, den Rollwerk-Spangen und der oberen Deckplatte auf dem Scheitel der Kalotte waren die vier Kalotten-Reliefs eingefügt. Auf ihren vier Segmenten ist eine Szene, fortlaufend über die teilenden Spangen hinweg, dargestellt: die Segnung der Kinder durch Jesus, gerahmt von zwei programmatisch mit dem Sakrament der Taufe verbundenen Szenen, der Taufe Jesu zu Beginn und dem nächtliche Gespräch Jesu mit Nicodemus. Die Szenerie als Handlungsraum für die dargestellten biblischen Geschichten zum Tauf-Thema wird gestaltet durch eine hochvirtuose Zusammenfügung von Bestandteilen einer perspektivisch geformten Phantasie-Architektur, die sich, sphärisch verzogen, den Begrenzungen und der Wölbung der Kalotten-Segmente anpasst.
Des Weiteren erhalten ist die untere Baldachin-Kuppel des mittleren Aufsatzes mit dem Dialog-Relief von Tod und Teufel auf der Oberseite. Auf einem Rasenplafond sitzen sie sich gegenüber: links am Rand der bocksfüßige Teufel mit Schwanz, Hörnern und Haarbüscheln auf den Knieen, der linke Arm nach hinten herabhängend, die Rechte zum Fledermausohr erhoben, um sich in einer Gebärde der Verlegenheit dahinter zu kratzen; die weiblichen Brüste des knorpelig verbildeten nackten Körpers abgespalten und beschädigt, wenige Fehlstellen in der Physiognomie der verzerrten Fratze; im weiten Abstand rechts gegenüber hockt das Gerippe des Todes, die Rechte verdeckt auf das Knie gelegt, die Linke greift ebenfalls herabgesenkt nach hinten, um am Rand des Tondos Halt zu finden; der halb verweste Schädel mit langer Haarlocke blickt mit breitem Grinsen aus den fast leeren Augenhöhlen auf sein Gegenüber. Diese grandiose Darstellung von Finsternis und Abgötterei bezieht sich auf die archaische Abschwörungsformel im kanonischen Text des Taufsakraments.

Schon Martha Riesebieter würdigte die Eigenhändigkeit und künstlerische Qualität der Stollhammer Taufdeckel-Reliefs aufs Höchste, ohne ihre Herkunft zu kennen. Sie erscheinen auch heute als das Phantasievollste nach Idee und Entwurf und das Virtuoseste in der schnitztechnischen Ausführung bis ins Miniaturhafte mit der erstaunlichsten Wirkung nach Ausdruck und Kunstfertigkeit. Die Fülle der Architektur- und Ornament-Motive auf engstem Raum ist überwältigend, vorgeführt wird ein überquellendes Repertoire an Formgebung und –vorstellung in abenteuerlich-unerwarteter unakademischer Kombination bei absolut eigenständiger Verwendung und Anverwandlung von Vorlagen und lehrhaften Vorgaben der Säulenbücher. Die Verbindung von illusionistisch-architektonischer Räumlichkeit und frei agierend komponierter Figurenbewegung erzeugt eine einzigartige manieristische Wirkung, sie ist aus den Vorbildern und Vorlagen nicht abzulesen noch abzuleiten, sie ist die Leistung Münstermanns. Diese Finesse einer äußerst phantasievoll kombinierenden Vorstellungskraft verbunden mit der technischen Fertigkeit einer frappierend überzeugenden, vollkommenen und aussagestarken skulpturalen Ausführung selbst im kleinsten Format und in kompliziertester kompositorischer Verschränkung, diese Gestaltungsfähigkeit eines Hochreliefs auf verschieden sich durchdringenden Ebenen, lebendig bewegt durch eine bewusste großartig imaginierende Lichtführung muss als das persönlich definierte Charakteristikum der Kunst des Bildhauers Ludwig Münstermann von Hamburg gefeiert werden.

Tod und Teufel vom Altar vom obersten Kranzgesims des Altars in Tossens zu Füßen des Salvators 1631

Material: Lindenholz
Maße: H. 21 cm (Tod, Fragment mit Sockel); H. 32 cm (Teufel mit Sockel)

Zustand: Der Tod als Gerippe hockt über einem Erdhügel; das rechte Bein vorgesetzt, hier fehlt die Fußspitze mit dem Teil des Hügels darunter; das linke Bein mit hochgestelltem Fuß weit nach hinten zurückgesetzt, hier stützt der Zipfel eines auf den Boden herabfallendes Lendentuch; der gesamte übrige Teil des Skeletts über dem Lendenwirbel ist verloren.
Der Teufel: Es fehlen linker Arm und Flügel.
Laut Bleistiftaufschriften auf den Rückseiten 1941 „restauriert“.
Rückseiten abgeflacht. Die unter dem Erdhügel montierten Konsolen modern.
Fassung: Graue Übermalung. Beim Teufel Reste der originalen Fassung erhalten: Inkarnat-Partien, grüne Lüstrierung unter dem rechten Flügel, gold die Haarbüschel auf Kopf und Knien, auf den Hufen und dem Flügel, rote Feuerflammen der Hölle am Sockel.
Standort: Landesmuseum Oldenburg, Inv. 14.498 (Tod), 14.499 (Teufel)
Provenienz: 1925 vom Altar abgenommen.

Der Teufel steht, wie sein Pendant der Tod, mit dem Unterkörper dem thronenden Christus in der Mitte zugewendet: die Bocksbeine mit entsprechenden Hufen nebeneinander, das rechte vor, das linke leicht zurückgesetzt; die Oberschenkel stark und knorpelig angeschwollen, Haarbüschel auf den Knien; männliche Geschlechtsteile und kurzer Schwanz: der Oberkörper mit großen hängenden weiblichen Brüsten in der Hüfte nach vorn gedreht; der dämonisch gebildete Kopf mit kahlem Schädel, aber großer Stirnlocke, grässlich-zerfurchter Physiognomie, wild gebüschelten Augenbrauen, Hakennase und riesig breit geöffnetem Mund mit Stummelzähnen, wendet sich mit qualvoll gesenktem Blick zur Seite der linken Schulter, wie in Abwehr erhebt sich der rechte Arm und kratzt mit den überlangen Fingern der großen Hand im rechten der spitzen Eselsohren; hinter diesem breitet sich der erhaltene spitzige Fledermausflügel.

Putto mit Kelch und Schild. Vordere Wange der Abendmahlsbank auf der Weinseite des Altars in Tossens 1631

aterial: Lindenholz
Maße: H. 47 cm (ohne den ergänzten Sockel)

Zustand: Es fehlen die Zehenspitzen des linken Fußes, ein Teil des rechten Flügels, die Nasenspitze und zwei Eckstücke des Kapitells, sowie der Sockel.
Fassung: Graue Übermalung aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (nach 1860) bei einer Restaurierung durch Andreas Cogho in der Werkstatt des Landesmuseums 1967 abgenommen (5); darunter zwei Fassungen freigelegt; die ursprüngliche (vielleicht von 1662): Inkarnat auf dem Körper, Gold auf Haaren, Kelch und Sternen, Krapplack gelüstert über Silber auf dem Lendentuch, Malachit gelüstert über Silber auf dem Schulterband; die erste Überfassung aus dem 2. Viertel des 19. Jahrhunderts: Grün auf dem Lendentuch, helles Blau auf dem Schulterband, Wappenfarben.
Standort: Landesmuseum Oldenburg, Inv. 14.501
Provenienz: Aus St.-Bartholomäus in Tossens; dort zuletzt mit dem Gegenstück, des Puttos von der vorderen Wange der Abendmahlsbank auf der Brotseite des Altars auf dem Herrschaftlichen Stuhl von 1643/44 sekundär aufgestellt, wie auf einem alten Foto im Nachlass Keiser zu sehen ist.

Zu vergleichen sind die Wangen der Abendmahlsbänke am Altar in Rodenkirchen von 1629.

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