Rodenkirchen: St.-Matthäus-Kirche

Altar

1629

Material: Eichenholz (Architektonisches Gerüst), Lindenholz (Figürliches, auch Ornamentik)
Maße: H. 591 cm, B. 455 cm (Altar); B. 283 cm, T. 212 cm (Predella)

Zustand: Der im Jahre 1618 bei Münstermann durch den amtierenden Pastor, Magister Petri, mit einer Anzahlung in Auftrag gegebene Altar wurde erst im Jahre 1629 aufgestellt. Alle Holzoberflächen erhielten, nach Fertigstellung noch in der Werkstatt, über einer Vorleimung einen unterschieden pigmentierten Ölüberzug mit schwarz gemalten Inschriften und schwarzen Absetzungen in den Tiefen der Profile sowie Kennzeichnungen der Physiognomien (Pupillen, Lippen). Dabei folgten die sorgfältig geglätteten Holzoberflächen durch die Auswahl der Holzarten: dunkle Eiche für die konstruktiven Teile mit dunkelbrauner Öllasur und helle Linde mit einer rötlich pigmentierten für Figuren und Reliefs, in ihrer verschiedenfarbig wechselnden Holzsichtigkeit einem wohlüberlegten ästhetisch-gestalterischen Konzept. Die eigentliche erste Fassung von 1638 erweiterte und steigerte lediglich diese grundlegende Auffassung durch bereichernde Vergoldung auf Profilen, Ornamenten, Gewandsäumen und auch Haaren, durch rote und grüne Lüstrierungen über Gold- und Silber-Auflagen, die ohne Grundierung direkt in Lasurtechnik der Holzoberfläche aufgebracht wurden; desgleichen blasse Inkarnate mit rötlichen Höhungen, schwarzen Pupillen und Augenbrauen sowie roten Lippen; und farbig in Rot, Grün und Orangegelb hervorgehobene Früchte, Blätter und Ornamente. Vielleicht wurden auch erst jetzt die differenzierenden Öllasuren zu ihrer sensiblen Ensemble-Wirkung verstärkt, die Schwärzung der Säulenschäfte und Inschrifttafeln mit der Wirkung von Ebenholz gehört dazu.
Nach diesen grundlegenden Befunden wurde als Abschluss der letzten Restaurierung von 1996-1999 die originale Fassung wiederhergestellt.

Signatur und Datierung: Zwei Putten am Basis-Gesims des Hauptgeschosses in der Mitte tragen das Meisterschild mit dem Steinmetzzeichen und den Initialen L M B , dazu die Signatur auf einer Schriftrolle LUDEWICH // MUNSTER / MAN // V. HB. // FEC[IT] . Auf dem Fries des Gebälks über den Hauptsäulen des ersten Geschosses: ANNO // 1629 .

Ludwig Münstermann

In die Predella eingefügt sind die Reliefs der Verkündigung, der Anbetung der Hirten und der Taufe Jesu, dazwischen die Porträt-Tondi der vier Großen Propheten. Als Standfiguren des Hauptgeschosses fungieren der Kirchenpatron St. Matthäus und der Apostel Paulus. In der architektonisch vertieften Mitte sieht man vorn die Abendmahlsszene und hinten ein “Allerheiligstes” mit der Bundeslade in der Mitte. Auf den Flügeln werden die Reformatoren-Bildnisse von Luther und Melanchthon von weiblichen Tugenden umgeben. Über den Prinzipal-Säulen sitzen die Figuren der Evangelisten. Im Obergeschoß erscheint die Kreuzigung “im Gedräng” und daneben auf eigenen Sockeln die ergänzten Figuren von Moses und Johannes dem Täufer als Zeichen des Bildprogramms von “Gesetz und Gnade”, bekrönt von Phönix und Pelikan. Im gesprengten Giebel triumphiert der Auferstandene mit Siegesfahne über Tod und Teufel.
Die Wangen der Abendmahlsbänke wurden nach dem Vorbild der erhaltenen Fragmente rekonstruiert.

Die singuläre Wertschätzung des Rodenkirchener Altares gründet vor allem in der Tatsache, dass er der einzig fast vollständig erhaltene in der bezeugten Reihe der Altaraufsätze Ludwig Münstermanns mit perspektivisch konstruierten Phantasie-Architekturen des Mittelschreines ist. So ist das eigentlich Überwältigende am Ganzen die ungemein virtuose Verbindung der Motive von Architektur und Ornament, die organisch-formale wie logisch-funktionale Verknüpfung von tektonischen Strukturen mit der Überfülle plastisch erlebbarer Formfülle, beides getragen vom Überschwang der Phantasie. Auf dieser Ebene wird die ungemein persönliche künstlerische Anverwandlung der zeitgenössischen Allgegenwart graphischer Vorbilder als unvergleichliche Eigenständigkeit Ludwig Münstermanns definierbar.

Taufbecken mit Deckel

Um 1630

Material: Sandstein (Becken), Eichenholz (Deckel)
Maße: H. 92 cm, D. 84 cm (Becken)

Zustand: Deckel nicht erhalten. Die beiden Sandsteinblöcke, aus denen das Becken zusammengesetzt ist, wurden offenbar auseinandergenommen und erlebten unterschiedliche Schicksale: Die Kuppa entdeckte Pastor Siegfried Bock (1938 – 1974) 1938 im Wilhelm-Müller-Park („Friedeburg“) in Nordenham, den Fuß im Garten von Dr. Richard Heye in Rodenkirchen; daraufhin wurde beides wieder aufeinander gefügt und das Taufbecken auch ohne den verlorenen Deckel im Chor der Kirche aufgestellt; im Jahre 2004 wurde es südlich des nordwestlichen Vierungspfeilers gegenüber der Kanzel neu positioniert.
Die sandsteinernen Oberflächen sind verwittert und bestoßen, die beiden Teile mit grober Zement-Verstreichung der ausgebrochenen Teile aufeinandergesetzt; keine Fassungsreste.

Zuschreibung an Ludwig Münstermann

Der formale Aufbau ist dem Taufbecken in Golzwarden (1633) sehr ähnlich: Auf einer hohen sechseckigen Plinthe erhebt sich das kelchförmige Becken in weichem s-förmig geschwungenem Profil; die Kuppa ist mit den Wappen und Namen der sechs Stifter umlaufend reliefiert.

Kanzel mit Schalldeckel und Treppe

1631

Material: Eichenholz (konstruktive Teile, Figurengruppe am Fuß, Kirchenväter-Giebel auf dem Schalldeckel), Lindenholz (skulpturale und ornamentale Teile)
Maße: H. 110 cm (Träger); H. 294 cm, D. 136 cm (Korpus); H. 300 cm, D. 195 cm (Deckel)

Zustand: Die originalen Fassungen von 1631 und 1638, letztere zusammen mit dem Altar, wurden bei der Restaurierung von 1963/64 freigelegt und wiederhergestellt und nach der Restaurierung des Altares 1999 und den dort und hier vergleichbaren Analysen erneuert.

Signiert und datiert an dem rückwärtigen Zwickel der Korb-Kalotte:
ANNO +1631+ habe ich / Ludowigh Munsterm[an] / mit Gottlicher hülfe Und mei-/ nes dieners Onnen Dirksen + / wie auch meiner beiden Sohns, / Johan Und Claws diese +/ CANT / ZEL , ver / fertige / t
Dazu Meisterschild am unteren Abschluss der Stiftertafel.

Ludwig Münstermann

Die figürliche Gestaltung von Fuß und Korb der Kanzel folgt den Motiven des Bildprogramms von “Gesetz und Gnade”: Um den halb-grünenden, halb-dürren Baumstamm als Träger sammelt sich die Figurengruppe des sitzenden Adam, des Moses mit den Gesetzestafeln und des auf Christus weisenden Johannes des Täufers, am Korb korrespondieren die virtuos geschnittenen Reliefs des Sündenfalls, der Ehernen Schlange, der Maria Empfängnis, der Kreuzigung und der Auferstehung. Sie werden jeweils unterbrochen von großen Cherubköpfen, die unter den Verkröpfungen des Basisgesimses die Basen der Doppelsäulen tragen, welche die sechsteilig verkantete Brüstung des Korpus gliedern. In deren Muschelnischen, gestaltet mit aufwendig ornamentierten und sphärisch bewegter Architektur, stehen die Figuren-Paare der vier großen Propheten und der vier Evangelisten um den segnenden Salvator in ihrer Mitte. Der monumentale Schalldeckel zeigt auf der sechsteilig gewölbten Unterseite den Kreis der Apostel um Maria bei der Ausgießung des Hl. Geistes, welcher als Taube in der Mitte schwebt. Auf den Seiten des Kranzgesimses sind Kartuschen-Giebel mit den Porträts von sechs Kirchenvätern aufgerichtet; auf den Ecken einer weiteren eingezogen erhöhten Kuppel stehen Putten mit den Leidenswerkzeugen und in dem Baldachin darüber thronen die Figuren von Gottvater und Christus einträchtig nebeneinander, als die Heilsratschluss-Gruppe. Ganz zuoberst die geflügelte Ecclesia mit dem Modell der Kirche in Händen. Der Verlauf der Korpus-Brüstung endet an der Wand des Vierungspfeilers mit einer Tafel mit den Stifterwappen, am anderen Ende in einer ornamentierten Tür mit einem Giebel, der Namen und Wappen des auftraggebenden Pastors Gerhardus Petri trägt. Dazu reich ornamentierte Stufen und die Brüstung einer ausschwingenden Treppe, deren Handlauf-Stützen die Hermen der weiblichen gestalteten Fünf Sinne tragen.

Dieses prachtvolle Werk, das unter den Händen der ganzen Belegschaft in der Werkstatt Ludwig Münstermanns nach einem hoch +anspruchsvollen theologischen Programm gestaltet wurde, welches der amtierende Pastor Magister Gerhardus Petri in Auftrag gab, ist die wohl am reichsten und vielfältigst gestaltete, dazu künstlerisch bedeutsamst ausgeführte Kanzel im Bereich des nordeuropäischen protestantischen Manierismus überhaupt.

Epitaph für Hinrich Dethmers und Frau Metke

1637

Auftraggeber und Stifter: Hinrich Dethmers und Ehefrau Metke, geb. Grisstede

Material: Eichenholz
Maße: H. 488 cm, B. 267 cm

Zustand: Zu welcher Zeit das offenbar noch zu Lebzeiten des Stifter-Ehepaares fertiggestellte Werk eine Fassung erhielt, ist nicht überliefert; auch in welchem Zustand es geliefert und aufgebaut wurde, ob die Holzoberflächen wie die an Altar und Kanzel wohl noch in der Hamburger Werkstatt mit leim- und ölhaltigen Firnissen schützend und veredelnd überzogen worden waren, ist bisher nicht untersucht worden. Das Foto vor der Restaurierung durch Kurt Bunge 1963 zeigt eindeutig, dass die Übermalungen und Neufassungen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das Epitaph nicht betroffen hatten, und dass die alle Oberflächen bedeckende, durchaus verfallene Fassung ohne eine Grundierung in dünnem Auftrag direkt auf das geglättete Holz aufgebracht war: Festzustellen ist eine schwarze Bemalung aller glatten Flächen mit Marmorierung der Säulenschäfte und goldenen Inschriften, und im Kontrast dazu eine weiße Fassung aller skulpturalen und ornamentalen Teile einschließlich von Gesims-Profilen, dazu sparsame ungrundierte Vergoldung und Lüstrierung mit verriebenen Übergängen, Lippen und Augensterne. Dieser Zustand, der offenbar die Material-Wirkung zweifarbigen Marmors evozieren soll, wurde offensichtlich von Bunge wieder hergestellt; wobei die stark abgeblätterte Landschaftsmalerei im Hintergrund der Mitteltafel des Obergeschosses lediglich gefestigt und gesichert wurde.
Die Restaurierung von 2000 beschränkte sich offenbar auf Reinigung und Sicherung der beschriebenen Fassung. 2010 wurde von Uwe Pleninger ein Posaunen-Engel, kopiert nach dem Vorbild Onno Dierksens auf dem Wagner-Epitaph in Sillenstede, auf die oberste Konsole gestellt.
Datierung:  1637

Zuschreibung an Ludwig Münstermann

In der Mitte die freiplastische Gruppe des Kreuzes Jesu mit den darunter knieenden Stiftern. Am Fuß des Kreuzes und vor den maskenverzierten Postamenten der rahmenden Säulen sitzen allegorische Figuren mit Attributen als Sinnbilder der Vergänglichkeit: links Adolescentia (Jugend) mit einem Füllhorn voller Früchte und Blüten, rechts Senectus (Greisenalter) mit Totenschädel (dieser Mann, der seinen Kopf in die rechte Hand stützt, ist durchaus zurecht als Selbstbildnis des alternden Ludwig Münstermann bezeichnet worden), mittig eine junge Frau mit der Sanduhr als Symbol der unaufhaltsam verrinnenden Lebenszeit. Im Obergeschoß die Figur des Auferstandenen über der Weltkugel.

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