Wiarden: St.-Cosmas-und-Damian-Kirche

Kanzel mit Schalldeckel, Treppe und Laufgang

1643

Material: Eichenholz (Korpus mit Schalldeckel), Nadelholz (Laufgang und Treppe).

Zustand: Die Untersuchungen im Jahre 2007 ergaben folgende Befunde: Die Treppe wurde laut Bleistiftnotiz 1870 angefertigt. Auf Korpus und Schalldeckel befindet sich eine oberflächen-veredelnde holzsichtige Lasur mit Vergoldungen ohne Grundierung (Schriftzüge und Stern auf der Unterseiten-Mitte des Schalldeckels) in der Tradition der Münstermann-Werkstatt; der Laufgang ist davon ausgenommen. Die weitere farbige Fassung lässt sich durch maltechnischen Vergleich der 1673 datierten Fassung des Klingelbeutelkastens zuordnen; sie ist zeittypisch charakterisiert durch eine weiße Marmorierung auf dunkelroter Oberfläche, die alle architektonischen Glieder bedeckt, dazu Vergoldungen und Inkarnate, sowie eine rote Lüstrierung über Silber auf dem Lendentuch des Auferstandenen. Eine sogenannte dritte Fassung lässt sich in die Jahre zwischen 1822 und 1855 datieren, und mit dem Maler der Balkendecke des Kirchenraumes, Ulrich Janßen Dirks, verbinden; sie zeigt ein matt-weiße Farbgebung mit Vergoldung vor allem der tektonischen Gliederungen und einem Blau auf Unterseite und Wappenkonsole des Schalldeckels. Dieser Zustand wurde 2007 wiederhergestellt.
Signiert und datiert auf dem Korb-Segment unter der Treppe, eingeschnitten:
ANNO / 1643 / O [Steinmetzzeichen] D / B
Im Kirchenarchiv ist der Arbeitsvertrag mit Onno Dierksen und seine Auszahlungsquittung
vom 13. Juli 1643 erhalten.

Onno Dierksen

Als große Besonderheit ist in diesem Falle die schriftliche Bestätigung des wohl mündlich vor Zeugen ausgehandelten und durch Handschlag bekräftigten Vertrages über die „Verfertigung einer Cantzel“, zugleich verbunden mit der Quittung des Bildhauers über die finanzielle und materielle Gegenleistung bei Lieferung, erhalten. Der Text wurde von Schreiberhand gefertigt zusammen mit der Zeile für die Umrechnung der Geldbeträge von Reichstalern in Albertustaler, die Quittierung hingegen ist mit anderer Tinte von Onno Dierksen selbst geschrieben und unterzeichnet.

Bemerkenswert an dieser Kanzel von Onno Dierksen ist, dass er nach seinem Werk für Golzwarden von 1640, mit dem er einen neuen Typus kreiert hatte, der von der Tradition der Münstermann-Kanzeln abweicht, wieder zur gewohnt überlieferten Form zurückkehrt. Das mag sicherlich dem Willen der Auftraggeber und Stifter geschuldet sein. Hervorzuheben ist der in originaler Form erhaltene Laufgang, der von der Treppe am Ostende des Schiffes bis zum Korpus in der Mitte der Südwand führt; denn sehr ähnlich waren viele Münstermann-Kanzeln ursprünglich aufgestellt, weil sie in der Mitte des Predigtraumes in der Kirche stehen sollten.

Träger des sechseckigen Korpus ist die Figur des Moses, der seine Gesetzestafeln unter den abgesenkten linken Arm geklemmt hat. Auf den Vorderkanten des Korbes befinden sich große Cherubköpfe. In den vier Muschelnischen der Brüstung stehen die Figuren der Evangelisten, auf den Ecken unterbrochen von Balustersäulen. Auf dem Schalldeckel sind Rollwerkgiebel mit Cherubköpfen in der Mitte aufgerichtet, zuoberst die Figur des segnenden Auferstandenen mit der Kreuzesfahne.

Altar

Viertes Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts

Material: Eichenholz, Nadelholz
Zustand: Nach der Restaurierung von 2004 zeigt der Altaraufbau und seine Fassung den Zustand von 1749, in den vier nacheinander an diesem Platz aufgestellte Altäre integriert sind: Das älteste gemalte Retabel stammt aus dem ersten Viertel des 14. Jahrhunderts; es wurde 2004, verborgen in dem Hohlraum der jetzigen Predella, wiederentdeckt, restauriert und auf der Rückseite derselben angebracht.

Zuschreibung an Onno Dierksen

Der zweite Altarschrein war ein Flügelaltar aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, dessen Mittelschrein mit der Kreuzigungs-Szene die heutige Mitte des zweiten Geschosses bildet, während die Serie der Apostelfiguren aus den Flügeln auf die Seitenachsen der Geschosse verteilt sind. Ob und wie die Teile des gotischen Retabels schon in den Altar des Onno Dierksen eingefügt waren, ist nicht sicher zu beurteilen, einen Hinweis gibt die seitliche Rahmung der Kreuzigungs-Szene mit einem üppig geschnittenen Eierstab; das aufwendig gestaltete Mittelfeld des Obergeschosses jedoch, mit dem Auferstandenen über den Grabeswächtern in einer prächtigen Bogennische ist eindeutiger Bestandteil seines Werkes, zu dem wahrscheinlich der jetzige gesamte architektonische Aufbau mit Gebälken und Säulen, von der ionischen Ordnung im Hauptgeschoß, der korinthischen im zweiten und der kompositen im Obergeschoß gehören; vielleicht auch die gemalten Festons zwischen den Säulen im zweiten und dritten Geschoß; in jedem Falle aber die seitlichen Behänge des ersten und zweiten Geschosses mit den Halbfiguren weiblicher Tugenden über den großen Voluten.

Die „Reparierung“ von 1749 ersetzte offenbar eine zentrale Inschrift-Tafel mit den Einsetzungsworten des Abendmahles im Hauptgeschoß, von der noch Reste vorhanden sind, durch ein zeitgenössisches Gemälde mit der entsprechenden bildlichen Darstellung des Geschehens von dem jeverschen Maler Schwitters; dazu kam sicherlich das Gottesauge im Strahlenkranz auf der Spitze; zugleich wurde eine neue Fassung der architektonischen Teile in Grau mit hellblauer Marmorierung aufgebracht, die jetzt wiederhergestellt ist.
Überaus bemerkenswert bleibt die Tatsache, dass in Wiarden an der pietätvollen Tradition über Jahrhunderte hin festgehalten wurde, den jeweils überkommenen Altaraufsatz in den neu zu erbauenden oder zu erneuernden zu integrieren.

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